Filmkritik

Di 25. September 17.30 und 20 Uhr
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Wildes Herz - Feine Sahne Fischfilet

Dokumentarfilm

Regie: Charly Hübner

Deutschland 2017,ab 12, 94 Minuten

Dokumentarfilm über die Punk-Band „Feine Sahne Fischfilet“ und ihren Frontmann Jan „Monchi“ Gorkow, die sich in ihrer Heimat Mecklenburg-Vorpommern nicht kampflos dem Rechtsruck ergeben wollen. Mit ihren bissigen Songs über die Misere des Landes, Neo-Nazis und Alltagsfrust agieren sie gegen fremdenfeindliche Parolen und Überzeugungen, was ihnen aber auch die Beobachtung durch den Verfassungsschutz eingebracht hat. Dem engagierten Debütfilm des Schauspielers Charly Hübner mangelt es zwar an Distanz zu den Musikern und ihrem charismatischen Anführer, doch gerade dadurch vermittelt sich eine starke Unmittelbarkeit, die zur Stellungnahme im Kampf um die kulturelle Deutungshoheit herausfordert.

Langkritik:

Jan Gorkow hat einen massigen Körper, ein großes Maul und ein wildes Herz, das eindeutig links schlägt. Als Frontmann der Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ singt er gegen „dreckige Nazischweine und Rassisten“ an und gegen Alltagsfrust und Perspektivlosigkeit in Mecklenburg-Vorpommern.

„Eine ganze Generation/jeder hier kennt die Frage schon in Dauerschleife/diese Zeilen/Gehen oder Bleiben?“ Diese Frage, die „Feine Sahne Fischfilet“ in einem ihrer Lieder aufgreift, treibt viele junge Menschen um, die auf dem platten Land aufwachsen. Was tun, wenn es kaum Jobs gibt, Bushaltestellen die einzigen Treffpunkte sind und die AfD immer mehr Zuspruch erhält?

Gorkow und seine fünf Freunde wissen, wovon sie singen. Sie sind in der Nachwendezeit in dem kleinen Ort Jarmen aufgewachsen, haben als Teenies selbst rechte Bands gehört oder „Landser“-Hefte gelesen, bis ihnen aufging, dass das nicht ihre Ideale sind, dass man sich „gerade machen muss“ gegen rechts. Auch deshalb ist „Monchi“, wie Gorkow genannt wird, nicht gegangen, sondern in Mecklenburg-Vorpommern geblieben. Im Norden liegen seine Wurzeln; der Strand ist nur zehn Minuten entfernt. Er will seine Heimat nicht „den Faschos“ überlassen.

„Wildes Herz“ ist das Regiedebüt des Schauspielers Charly Hübner, der wie die Musiker aus Mecklenburg-Vorpommern kommt. Aber nicht nur deshalb ist „Wildes Herz“ ein persönlicher Film. In der „Transparenz, Vielfarbigkeit und Unbedingtheit“ von Jan „Monchi“ Gorkow sei ihm „so viel an Erfahrung, Ehrlichkeit und Mut im und zum Leben begegnet“, dass er davon einfach erzählen musste.

Der Dokumentarfilm, den Hübner zusammen mit Sebastian Schultz realisiert hat, ist in jeder Hinsicht distanzlos, die Begeisterung für Gorkow unübersehbar. Das kann man dem konventionell erzählten Film vorwerfen. Zugleich ist diese Nähe aber auch das große Plus von „Wildes Herz“. „Monchi“ ist ebenso charismatisch wie streitbar, und er macht sich im Film in jeder Hinsicht nackig. Es gehört schon einiges dazu, vor laufender Kamera zuzugeben, dass man jede Menge „Sexismus und Rassismus im Kopf“ habe.

Es fällt nicht leicht, sich dem durchaus selbstkritischen Selbstdarsteller zu entziehen. Seine Energie fasziniert, ebenso sein Ausleben von persönlichen und politischen Idealen. Der mittlerweile 31-Jährige hat schon einiges hinter sich, auch eine Zeit als gewaltbereiter Ultra von Hansa Rostock; doch vor allem ist er ein politisch denkender Kopf. Taten, so sagt er, sind wichtiger als Reden, und so machte die Band zur Landtagswahl 2016 mit ihrer „Noch nicht komplett im Arsch“-Tour in Städten wie Anklam oder Stendal Druck gegen den Wahlkampf von AfD und NPD.

Dass „Feine Sahne Fischfilet“ in ihren Texten kein Blatt vor den Mund nimmt, ist gute linke Punk-Tradition, auch ihr Misstrauen gegen Staat und Behörden. Auch deshalb ist die Band ins Visier des Verfassungsschutzes geraten, der sie als „linksextremistisch“ einstufte und einige Jahre observierte. Die Verfassungsschützer, die hier zu Wort kommen, gehören zu den wenigen kritischen Stimmen des Films. Man muss sich schon sein eigenes Bild von Jan „Monchi“ Gorkow machen.

„Wildes Herz“ ist allerdings mehr als ein unterhaltsames Porträt oder eine Musik-Doku. Der Film bezeugt den zunehmenden Rechtsruck in Mecklenburg-Vorpommern, wo die AfD bei der jüngsten Landtagswahl 21 Prozent der Stimmen erhielt. Zugleich machen Hübner und Schultz aber auch deutlich, dass es weiterhin ein linkes Bewusstsein und ein Aufbegehren gibt. Die Jungs von „Feine Sahne Fischfilet“ hauen auf die Pauke angesichts fremdenfeindlicher und nationalistischer Parolen und Überzeugungen – und das nicht nur auf der Konzertbühne oder im eigenen Bundesland. Mit ihrem couragierten Engagement hält die Band mit „Monchi“ vorneweg jedem einen Spiegel vor. „Wie wollen wir leben?“, will „Feine Sahne Fischfilet“ in einem ihrer Songs wissen. Das ist eine Frage, die wir uns alle mehr denn je stellen müssen.

Kirsten Taylor, FILMDIENST