Filmkritik

Do 19. Dezember 17.30 und 20 Uhr
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Die Agentin

Drama

Regie: Yuval Adler

mit: Diane Kruger (Rachel) · Martin Freeman (Thomas) · Cas Anvar (Farhad) · Rotem Keinan (Daniel) · Liron Levo (Dan)

Israel/Deutschland/USA/Frankreich 2019 | 117 Minuten | ab 16

Eine Mossad-Agentin, die in Teheran an Informationen über das Atomprogramm herankommen soll, taucht unter und lässt ihren Führungsoffizier über ihre Motive im Dunkeln. Die Romanverfilmung springt formal recht komplex zwischen verschiedenen Zeitebenen hin und her, simplifiziert aber Figuren und Handlung. Die glaubwürdige Hauptdarstellerin kann diese Schwäche nur halbwegs ausgleichen. - Ab 16.

Langkritik:

Eine Mossad-Agentin, die in Teheran Informationen über das iranische Atomprogramm sammeln soll, ist untergetaucht und lässt ihren Führungsoffizier über ihre Motive rätseln. Komplex strukturierter Genre-Mix aus Thriller und Charakterstudie.

„Ich dachte, sie wollte etwas Bedeutsames tun“, mutmaßt Thomas über die Motive der Agentin Rachel. Er war ihr Mentor beim israelischen Geheimdienst Mossad. Nun ist die sprach- und weltgewandte Frau verschwunden.

Der israelische Regisseur Yuval Adler adaptiert in seinem zweiten Spielfilm nach seinem fulminanten Politthriller „Bethlehem“ den Roman „The English Teacher“ für die Leinwand; die Vorlage wurde von dem ehemalige Geheimdienstoffizier Yiftach Reicher Atir verfasst. Adler entscheidet sich dabei für einen Genre-Mix aus Charakterstudie und Thriller – der Roman zeichnet eher ein Psychogramm.

Verschachtelte Rückblendenstruktur

Dass Rachel verschwunden ist, löst beim Mossad Panik aus: Ist die Agentin übergelaufen? Sie war jahrelang in Teheran, um dort das Atomprogramm auszuspionieren und zu sabotieren. Ihr Wissen ist so umfangreich wie gefährlich. Thomas soll seine Vorgesetzten unterstützen, um Rachel zu finden. Der Film springt zwischen verschiedenen Zeitebenen hin und her; Thomas’ Kommentar aus dem Off hält alles zusammen. Hier berichtet Thomas, der in Berlin lebt, an seine Vorgesetzten, dort ist Rachel in Teheran und baut sich eine Identität als Englischlehrerin auf.

Yuval Adler macht dabei keinen Hehl daraus, dass er nicht viel vom Mossad hält, weil der Geheimdienst in seinen Augen mit dem Segen der israelischen Regierung durch seine Aktivitäten Konflikte eher verschärfe. Nach einem Bombenanschlag des Mossad, bei dem neben den Zielpersonen auch Unschuldige ums Leben kamen, sieht Rachel in ihrem Teheraner Apartment eine Nachrichtensendung, in der israelische Flaggen verbrannt werden.

Die Komplexität liegt in der Struktur

Auch in „Betlehem“ hatte Adler Kritik am Geheimdienst geübt, allerdings wesentlich komplexer und gespiegelt in einer Parallelerzählung, die um einen jungen Mossad-Informanten in den Palästinensergebieten kreiste. In „Die Agentin“ sind die Geheimdienstler tendenziell hingegen recht eindimensionale Unsympathen; einen tumben Killer gibt es auch. Die Komplexität des Films erschöpft sich in der Form, im Wechsel zwischen den Zeitebenen; inhaltlich wird ziemlich simplifiziert.

Diane Kruger spielt die Agentin Rachel überzeugend, zurückgenommen, undurchschaubar und wandelbar; die unterschiedlichen Identitäten kann sie glaubwürdig vermitteln. Nur bei der Ankunft in Teheran überzieht sie ein wenig durch die Unsicherheit ihrer Blicke. Der Agententhriller war bislang im Besonderen ein männlich dominiertes Genre, in dem Frauen meist nur als Love Interest oder Sidekick fungierten.

Mit „Die Agentin“ und „Aus nächster Distanz“ kommen zwei aktuelle Filme aus Israel, in denen Agentinnen in den Mittelpunkt rücken. Beide werden von Männern erzählt, bei „Die Agentin“ sogar dreifach: durch den Romanautor, den Regisseur und den Off-Erzähler Thomas. Ist es ein Zufall, dass in „Aus nächster Distanz“ die Mossad-Agentin schwanger werden will, während Rachel schwanger wird und abtreibt? Beide Filme bedienen nicht nur hier Klischees; es ist zu hoffen, dass diese nicht zu neuen Topoi der Agentinnen-Erzählung werden.

Eine Drifterin

„Die Agentin“ besitzt eher als Thriller denn als Charakterstudie gute Momente; das letzte Viertel des Films ist atemlos spannend. Aber auch die ausführlicheren Passagen in Teheran, als Rachel sich in den Mann verliebt, den sie observieren und ködern soll, entwickeln einen beträchtlichen Sog. Die Sprünge zwischen den Ebenen und eine andere Mission von Rachel, in der sie mit einem Laster Bomben nach Teheran transportiert, sind hingegen eher hinderlich, erzählerischer Überschuss, getarnt als Komplexität.

Wollte Rachel „etwas Bedeutsames tun“? Rachel ist ein Drifter; ihre Motive bleiben letztlich im Dunkeln.

Julia Teichmann, FILMDIENST